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Motivierende Übungen im Französischunterricht der Mittelstufe Waltraud
Beck Klasse:
9 Französisch
als 2. Fremdsprache Da das französische Konditional und sein Gebrauch in
den Bedingungssätzen der Klasse schwerfiel, teilte ich im Anschluß an Lektion
5, in der das conditionnel eingeführt wird, ein Blatt mit folgenden Aufgaben
aus:
Exercices
de créativité
Ecrivez au moins dix phrases sur un des sujets. Chacun doit
remettre une propre
solution. Jede/r Schüler/in musste eine Frage auswählen,
deren Bearbeitung er/sie im Unterricht beginnen und
zu Hause fortsetzen
sollte. Die meisten meiner 24 Mädchen und Jungen wählten die Aufgabe 3,
je eine/r die Fragen 1, 4 und 5. Ich fand es zwar etwas bedauerlich, dass die
anderen Themen kein Interesse fanden und die meisten in der Million
"schwelgten", aber die verfassten Phantasiereisen entschädigten mich
durch ihre interessante Vielfalt. Ich korrigierte die Kurzberichte, damit beim
Einprägen für den mündlichen Vortrag, was als nächster Schritt vorgesehen
war, sich keine Fehler festsetzten. Da nicht alle gleichzeitig abgaben und ich
einen Teil der Erzählungen im Unterricht durchsehen konnte, während die Klasse
Übungen in Partner- oder Gruppenarbeit machte, hielt sich der Korrekturaufwand
in Grenzen -
ein Gesichtspunkt, der ja bei der Entscheidung für alternative Methoden
gewiss eine nicht geringe Rolle spielt. Durch die häufige Anwendung des
imparfait im Bedingungssatz und des conditionnel im Hauptsatz in selbst
erdachten Sätzen festigten sich diese Strukturen besser als bei vorgegebenen Übungen,
die oft die Gefahr der rein mechanischen Verwendung in sich bergen. Außerdem wollte ich die Klasse, die im Allgemeinen
ganz fleißig ist, aber bei Übungen im Buch, die über die Reproduktion
hinausgehen und Phantasie und
Reflexion erfordern, sich etwas träge zeigte, zur Kreativität anregen. Hier
wurde wieder einmal deutlich, dass Schüler/innen dann, wenn ihre persönlichen
Interessen gefragt sind, durchaus bereit sind, sich anzustrengen. Es wurden
viele hübsche Kurzberichte geschrieben, an deren Lektüre ich Freude hatte. Der nächste Schritt war der freie Vortrag vor der
Klasse, womit ein weiteres Lernziel, nämlich etwas präsentieren können,
abgedeckt wird. Natürlich lernten alle ihren Text auswendig, denn völlig
freies Sprechen über ein anspruchsvolleres Thema ohne vorherige schriftliche
Niederlegung kann man auf dieser
Stufe noch nicht erwarten. Meines Erachtens ist aber auch dieses Verfahren ein
Schritt auf dem Weg zum mündlichen Vortrag. Am Anfang jeder Stunde wurden drei Schüler/innen
aufgerufen, die nacheinander vor die Klasse traten, Vokabeln, die den anderen
unbekannt waren, an die Tafel schrieben, erklärten und danach erzählten. Auf
keinen Fall darf der Bericht natürlich herunter- geleiert werden, sondern Verständlichkeit
ist oberstes Gebot. Wenn die Klasse nicht verstand, musste wiederholt werden.
Mit einigen Fragen im Anschluss ließ sich leicht feststellen, ob der Vortrag
"angekommen" war. Das Experiment gelang gut. Gerade manche nicht so
leistungsstarke Schüler/innen stellten ihre Gedanken zum Thema
recht ansprechend vor. Mit dieser Übung kann man dreierlei erreichen:
Festigung der Bedingungssätze, Förderung der Kreativität und Stärkung des
Selbstbewußtseins und Selbstvertrauens durch den freien Vortrag vor der Klasse.
Freies Erzählen lässt sich auch gut bei manchen
Lektionen des Lehrbuchs einüben. Lektion 6B
von Découvertes III
handelt vom Besuch eines jungen Mädchens bei einem jungen Belgier, was
hauptsächlich in Dialogform gebracht wird. Da im Anschluss an 6A einige Schüler/innen
den Wunsch äußerten, selbst bandes dessinées zu entwerfen, gestaltete ich die
Verteilung der Aufgaben folgendermaßen:
3 Gruppen von je zwei bis drei widmeten sich den Comics, einige
bereiteten die Grammatikerklärung vor (das Relativpronom lequel und die
indirekte Rede), und weitere drei Gruppen sollten den Dialog in einen Bericht
umformen, um ihn später der Klasse mündlich zu präsentieren.
Der Anteil, der dabei auf jeden entfiel, war nicht sehr umfangreich und
auch von Schwächeren gut zu bewältigen. Sie schrieben zunächst die neuen
Vokabeln auf Folie, gestalteten ihr Dialogstück
in der dritten Person und prägten
es sich zu Hause ein. Der freie Vortrag vor der Klasse sollte so sein, dass
alle, ohne das Buch zu öffnen, den Inhalt verstanden. Ein Problem trat hier noch stärker als bei den
vorherigen Berichten in Erscheinung: die Aussprache mancher Mädchen und Jungen
ist alles andere als gut verständlich. Ich verbesserte daher ihre Fehler und
Undeutlichkeiten während des Vortrags und ließ die Sätze so lange
wiederholen, bis die Klassenkameraden sie begriffen hatten. Das hatte einerseits
einen zusätzlichen Lerneffekt: die
Schüler/innen sahen hierbei besser als wenn sie im Unterricht ein Stück
vorzulesen haben und die Korrektur des Lehrers bisweilen lästig finden, ein,
wie wichtig gute Aussprache für das Verständnis des Inhalts ist. Andererseits
kann es sich für manche nachteilig auswirken: bei der
Befragung über die Methode, die ich später durchführte,
schrieb nämlich eine Schülerin, dass
die Unterbrechung sie nervös gemacht habe und eine nachträgliche
Korrektur besser sei; nur geht das wieder auf Kosten der Verständlichkeit! Ich
würde daher ein anderes Mal bei diesem Verfahren einzeln mit den Schüler/innen
vorher ihren Part üben. Nach der
Darbietung stellten dieselben Schüler, die vorgetragen hatten, ein paar Fragen,
und erst dann ließ ich sie die Lektion von der CD hören. Die drei Gruppen, die Comics entwarfen,
präsentierten ihre Zeichnungen
nach Fertigstellung auf dem Tageslichtprojektor und gaben einen Kommentar
dazu - natürlich auf französisch. Eine Gruppe
hatte sogar ein Potpourri aus
verschiedenen klassischen Musikstücken zusammengestellt und auf
Kassette überspielt, die sie zu den Zeichnungen erklingen ließ. Das
sollte die "Dramatik" steigern.
Am besten kamen bei den Klassenkameraden natürlich die bandes dessinées mit Mme B. an. (s. Anlage)
Bei Lektion 7 wandte ich das bei Lektion 6B erprobte
Verfahren auch an, damit alle 24 Schüler/innen wenigstens einmal mit solch
einer Nacherzählung beauftragt werden konnten. Von 7A, B und C bekamen je zwei
Schüler/innen ein Textstück von etwa 15 bis 20 Zeilen Länge, das sie
aufbereiten mussten, d.h.: neue Vokabeln entweder auf Folie oder, wenn es nur wenige waren, vor dem Vortrag an die
Tafel schreiben und
erklären, den Text schriftlich etwas umformen - natürlich nicht ohne
meine vorherige Korrektur - und sich aneignen. Beide Schüler/innen trugen
denselben Text nacheinander frei vor der Klasse vor und stellten einige
vorbereitete Fragen dazu. Wenn keine Antwort aus der Klasse kam, mussten sie
wiederholen. Danach wurde erst der Tonträger eingesetzt. Abgesehen von der schwer verständlichen Aussprache
mancher Schüler/innen war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ich habe sie auf
diese Weise immer wieder zum zusammenhängenden Sprechen angeregt, und die Schüler
haben alle bereitwillig mitgemacht. Natürlich waren die beschriebenen Übungen
nicht die einzigen dieser Art während des Schuljahres. Der größte Teil des
Unterrichts erfogte mit der Methode LdL, selbstverständlich auch die
Grammatikeinführungen und die im Buch angebotenen exercices. Um mir keine Illusionen bezüglich der Motivation zu
machen, bat ich die Schüler, ihre Meinung
zu den
beschriebenen Übungen zu notieren
und mir zu geben bzw. auch Sonstiges anzuführen, was sie sie gut oder schlecht
gefunden hätten. Da ich
ihnen erlaubte, zu zweit oder zu
mehreren die Notizen zu machen, kann ich natürlich keine genaue Statistik
erstellen. Der Tenor war: Die überwiegende Mehrheit fand die exercices de créativité
gut. Das Verfassen der Comics gefiel besonders den Beteiligten, das Vortragen
der Lektionen etwa der Hälfte; das Auswendiglernen wurde von einigen als zwar
aufwendig, aber nützlich angesehen. Über die Hälfte schrieb hin, dass generell
"LdL gut, super, nützlich und
interessant sei und eine sinnvolle und lehrreiche Abwechslung zum banalen
Unterricht darstelle". Eine mündliche Befragung zur Methode - ohne meine
Anwesenheit - hatte ich schon einmal mitten im Schuljahr gemacht, wobei LdL
absolut den Vorrang vor anderen Methoden, auch dem Lernzirkel, bekam. Ich kann allen Romanisten nur dringend empfehlen, vom
Frontalunterricht weg, auf jeden
Fall zu Methoden, die die Schüler aktivieren, zu gehen. Die Akzeptanz, die bei
mir LdL in bisher jeder Klasse
gefunden hat, spricht wirklich dafür.
Wenn wir weiterhin Schüler für Französisch
gewinnen bzw. sie dabei halten wollen - und das hat das Fach dringend nötig
- , ist eine didaktisch-methodische Neubesinnung unbedingt erforderlich.
Waltraud Beck |